|
|
Erleben wir eine Adipositas-Zeitenwende?
Liebe Freundinnen und Freunde der DAG,
die Diskussion um politische Maßnahmen zur Prävention der Adipositas nimmt endlich Fahrt auf! Erleben wir auch hier eine "Zeitenwende"? Mit diesem Newsletter informieren wir Sie über die in Arbeit befindlichen Werbeverbote für Ungesundes und wie wir uns als Fachgesellschaft engagieren. Viel Spaß bei der Lektüre!
|
|
Präventionspolitik: Deutschland gilt als Schlusslicht
Wahrscheinlich haben Sie die Diskussion in den letzten Jahren verfolgt: Medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, Verbraucherschützer und Krankenkassen werden nicht müde zu betonen, wie wichtig politische Maßnahmen zur Förderung einer gesunden Ernährung sind. Großbritannien, Portugal oder neuerdings auch Polen gehen längst voran: Sie schränken die Lebensmittelwerbung für Ungesundes ein, setzen finanzielle Anreize zur Zuckerreduktion bei Softdrinks und/oder befreien Gemüse und Obst von der Mehrwertsteuer – all das mit dem Ziel, die gesunde Wahl zur einfachen Wahl zu machen. Doch Deutschland hinkt der internationalen Entwicklung meilenweit hinterher. Das hat kürzlich die Publikation des europäischen Healthy Food Environment Policy Index (Food-EPI) in The Lancet Regional Health Europe abermals untermauert. Demnach hat Deutschland keine einzige der internationalen Best-Practice-Maßnahmen zur Förderung gesunder Ernährungsumgebungen umfänglich implementiert.
|
|
Aus: Pineda et al. Policy implementation and priorities to create healthy food environments using the Healthy Food Environment Policy Index (Food-EPI): A pooled level analysis across eleven European countries. The Lancet Regional Health - Europe. 2022;23:100522.
|
|
Werbeverbote für Ungesundes: eine kleine Zeitenwende
Es gilt also viel aufzuholen mit Blick auf die Ernährungspolitik. Doch in einem Feld sind konkrete Fortschritte in greifbarer Nähe: Das Bundesernährungsministerium arbeitet aktuell an einem Gesetz, das die Werbung für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- und Salzgehalt verbindlich beschränken soll. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, GRÜNE und FDP auf das Vorhaben verständigt. Wenn dieses Gesetz im kommenden Jahr beschlossen werden sollte, ist das die erste (!) verbindliche Maßnahme für die Ernährungsindustrie in diesem Politikfeld. Alle anderen Maßnahmen waren stets freiwillig: Sei es die Strategie zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Fertiglebensmitteln, die Einführung einer laienverständlichen Kennzeichnung mit dem Nutri-Score oder die sogenannten Verhaltensregeln für an Kinder gerichtete Werbung. Nun kommt die erste verbindliche Maßnahme. Es ist eine kleine Zeitenwende in der Adipositas-Politik.
Unser Beitrag: Öffentlicher Druck!
Die DAG treibt die politische und öffentliche Debatte zu diesem wichtigen Thema derzeit gemeinsam mit vielen Verbündeten erheblich voran. Unter anderem haben wir vor wenigen Wochen ein breites Bündnis aus Elternverbänden, Verbraucherschützern, Fachgesellschaften und Krankenkassen geschmiedet. Mit einem gemeinsamen Appell – von etwa 40 Organisationen getragen und mit prominenter Unterstützung von Starkoch Jamie Oliver – haben wir die Ampel-Parteien ermutigt, eine wirksame Werberegulierung zum Schutz der Kinder vorzulegen. Der Appell hat eine enorme Wirkung entfaltet: Hunderte Medien, darunter sogar die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau, haben über den Vorstoß berichtet. Die ernährungspolitischen Sprecher:innen der Ampel-Parteien haben umgehend reagiert und, im Fall von SPD und GRÜNEN, unsere Vorschläge begrüßt. Sogar Bundesernährungsminister Özdemir hat uns prompt für einen persönlichen Austausch zu dem Thema eingeladen.
|
|
Die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau berichtete am 7. November 2022 über unseren Vorstoß
|
|
Austausch mit dem Bundesminister
Wir können an dieser Stelle nicht im Detail von dem Treffen mit Herrn Özdemir berichten. Doch so viel sei verraten: Unsere Vorschläge zur Ausgestaltung der Werbeschranken stoßen bei der Bundesregierung auf großes Interesse. Der Ernährungsminister hat glaubhaft vermittelt, dass er einen ambitionierten Gesetzentwurf vorlegen möchte. Anfang 2023 werden wir mehr wissen, wenn der Entwurf präsentiert und in die sogenannte Ressortabstimmung mit den anderen Bundesministerien geht. Eines ist sicher: Als Fachgesellschaft und im Bündnis mit unseren Partnern werden wir uns auch in dem weiteren Verfahren für einen wirksamen Schutz der Kinder stark machen. Nur eine umfassende Regelung, die möglichst wenige Schlupflöcher lässt, kann junge Menschen effektiv vor schädlichen Werbeeinflüssen schützen. Das hat die jahrelange Auseinandersetzung in der Tabakregulierung gezeigt.
|
|
Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat unser Bündnis für Werbebeschränkungen zum Austausch eingeladen
|
|
Natürlich ist eine Werbebeschränkung für Ungesundes nur ein kleiner Baustein zur Eindämmung der Adipositas-Epidemie. Viele weitere Maßnahmen müssen folgen und ineinandergreifen. Bekanntlich gibt es sowohl in der Präventionspolitik als auch im Zugang zur Therapie erheblichen Nachholbedarf.
Doch die Erkenntnis, dass es mit Appellen allein nicht getan ist, hat einen großen Wert – weit über die Werberegulierung hinaus. Der verbindliche Charakter macht klar, dass die Adipositas-Epidemie auch eine politische Frage ist. Und, dass die Verantwortung für die chronische Erkrankung Adipositas nicht allein auf die Einzelnen abgewälzt werden kann.
Darauf werden wir aufbauen können im kommenden Jahr, wenn wir uns weiterhin mit großem Engagement für eine wirksame Prävention und eine verbesserte Versorgung der Betroffenen einsetzen werden. Gerne halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden!
Herzliche Grüße und einen erholsamen Jahreswechsel,
|
|
Oliver Huizinga Politischer Geschäftsführer
|
|
PS: Werden Sie Mitglied der DAG!
Werden Sie Mitglied der DAG und stärken Sie damit die Prävention, Therapie und Erforschung der Adipositas! Wir klären die Öffentlichkeit über die gesellschaftliche Bedeutung der chronischen Erkrankung auf und fördern Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet. Diese Arbeit ist nur möglich durch die Unterstützung unserer Mitglieder. Wir würden uns freuen, wenn auch Sie uns mit Ihrer Mitgliedschaft unterstützen.
|
|
|
|